Buch

Basler Jahrbuch für historische Musikpraxis 15 (1991)

Trompete und Horn. Tempo und Intonation

Peter Reidemeister (Hg.)

  • Reihe/Serie
    Basler Jahrbuch für Historische Musikpraxis
  • Band
    15
  • Ort
    Winterthur
  • Verlag
    Amadeus
  • Jahr
    1992
  • ISBN
    978-3-905049-55-8
  • Typ
    Buch
Schlagwörter

Trompete; Horn;

I. TROMPETE UND HORN. TEMPO UND INTONATION

Renato Meucci: Zur Frühgeschichte der Trompete in Italien
Vegetius' Bemerkungen über alte römische Militärinstrumente wurden durch einen Kopisten des 6. Jahrhunderts auf den neuesten Stand gebracht. Eine weitere aktualisierte Lesart enthält der Codex Pal. Lat. 909 (10. Jahrhundert) der Biblioteca Vaticana, wo die bucina als ein gerades Instrument beschrieben wird. Dieser Beleg könnte sich auf die mittelalterliche buisine beziehen, jenes Instrument, dessen östliche Herkunft kürzlich ohne ausreichende Argumente in Frage gestellt wurde. In Italien und in vielen anderen Ländern ist die Unterscheidung zwischen tuba und tubecta im 13. und 14. Jahrhundert gut belegt. Eine bildliche Darstellung in San Pietro in Gessate (Mailand) bezeugt darüber hinaus den zeitgenössischen Gebrauch einer Zugtrompete in Italien. Im Museum des Palazzo Pubblico in Siena werden drei unbekannte Trompeten von Hainlein aus dem 17. Jahrhundert aufbewahrt. Archivalien und Textzeugnisse dokumentieren im 18. Jahrhundert - und ebenfalls in Siena - die Aktivitäten des Ubaldo Montini, eines Blasinstrumenten-Bauers, dessen 1523 (!) datierte Trompete in Berlin eine sorgfältige Neu-Untersuchung fordert. Es mag dies ein von Leopoldo Franciolini nachgebautes (nicht falsche) Instrument sein. 

Reine Dahlqvist: Corno and Corno da caccia. Horn terminology, horn pitches and high horn parts
In den Werken J.S. Bachs sind die Hornstimmen mit unterschiedlichen Bezeichnungen versehen (z.B. Corno, Corno da caccia). Ch.S. Terry folgerte daraus, dass Bach unterschiedliche Instrumente (Jagdhorn, Waldhorn) vorsah, wofür es aber keine Belege gibt. Ebenso lässt sich weder die Hypothese belegen, dass Bach im "Quoniam" seiner H-moll-Messe ein Horn in D alto fordert, noch mit Sicherheit entscheiden, ob die Hörner in BWV 16 und 65 alto oder basso sein sollen.- Aus den technischen Anforderungen, die gewisse hohe Hornstimmen in einigen Werken aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellen, hat man geschlossen, dass die Hornisten auch Trompeter waren, was sich nur zum Teil belegen lässt. Im Stadtpfeifer-Milieu spielten oft dieselben Musiker Horn und Trompete. Die Hofhornisten hatten demgegenüber nur Dienst als Hornisten, spielten also wohl auch die hohen Hornstimmen, die weit bis ins 19. Jahrhundert begegnen.

Daniel Lienhard: Das Naturhorn in Paris
Seit Beginn des 18. Jahrhunderts erfreute sich das Horn, zunächst als Jagd-, dann als Orchester- und Soloinstrument einer steigenden Beliebtheit bei Komponisten und Publikum. Virtuosen wie Giovanni Punto setzten Maßstäbe für das Spiel auf dem Naturhorn. Die Gründung des Pariser Conservatoire hatte weitreichende Konsequenzen für den Unterricht auf den Blasinstrumenten. Beim Horn war es neben Duvernoy und Domnich vor allem Louis-Fraçois Dauprat, der sich als wichtiger Theoretiker dieses Instruments etablierte. Seine Hauptanliegen, die er auch in seinen eigenen Kompositionen verwirklichte, waren die Spezialisierung der Hornisten auf das hohe bzw. tiefe Register des Instruments, ohne dass damit eine Wertung der beteiligten 1. und 2. Hornisten verbunden gewesen wäre. Ferner erreichte er eine qualitative Verbesserung der Hornmusik durch eine differenzierte Stopftechnik und die gleichzeitige Verwendung von Naturhörnern in verschiedenen Stimmungen in der Kammer- und Orchestermusik.

Jörg Fiedler: Dichtung und Wahrheit im Tonsystem des 18. Jahrhunderts
Das im 18. Jahrhundert populärste Modell zur Darstellung reiner Intonation, das auf dem sog. comma telemannicum fusst, entspringt einem bereits von Andreas Werckmeister 1687 kritisierten Missverständnis. Einen kleinen Einblick in die tatsächlich praktizierte Intonation erlaubt Peter Prelleurs mit Bünden versehener Geigenhals (The art of playing the violin, 1731): Die dort festgelegte Intonation verwendet ausschliesslich tendenziell reine Quinten und Terzen. Praktische Versuche zeigen, dass diese reinharmonische Intonationsweise zwar in harmonischer Hinsicht perfekt wirkt, dass die melodische Fortschreitung jedoch problematisch ist; die Melodik erfordert idealerweise eine pythagoreische (ausschließlich quintreine) Intonation. Die Hypothese erscheint konsequent, dass die Hörvorstellung in melodischer und harmonischer Hinsicht antagonistische Intonationsideale fordert, die in fallweise unterschiedlich starken Ausgleich treten.

Klaus Miehling: Das Tempo bei Henry Purcell
Die Aussagen englischer Quellen des 17. Jahrhunderts zum Tempo und auch das, was Purcell selbst dazu schreibt, lassen etliche Fragen offen. Ihre Interpretation wird aber erleichtert, wenn man auch französische Quellen zu Rate zieht. Auszugehen ist von einem Wert, der etwa einem Pulstempo entspricht, und der die Grundlage für die geraden Takte gibt. Innerhalb der Dreiertakte bleibt das Tempo der Notenwerte im allgemeinen konstant (d.h. der Dreivierteltakt erscheint doppelt so schnell wie der Dreihalbetakt), jedoch gewinnen zur Zeit Purcells Tempowörter wie auch Tanzcharaktere zunehmende Relevanz für die Tempobestimmung. Purcells Tänze sind französischen Typen oft sehr ähnlich, so dass z.B. die Tempoangaben L'Affilards als Richtschnur dienen können.

II. SCHRIFTENVERZEICHNIS ZUM ARBEITSBEREICH HISTORISCHER MUSIKPRAXIS 1990/91, ZUSAMMENGESTELLT VON DAGMAR HOFFMANN-AXTHELM