In Basel wurde 2016 ein «Arciorgano» nach Beschreibungen von Nicola Vicentino rekonstruiert. Das Instrument hat 36 Tonhöhen pro Oktave. Bis 2016 wurde dieses Instrument sowohl von der Musikwissenschaft wie auch von der historischen Aufführungspraxis rein hypothetisch behandelt, da weder erhaltene Originalinstrumente noch Rekonstruktionen existierten.
Diese Arbeit wird in ihrem ersten Teil den Bauprozess kritisch beschreiben. Wie plausibel ist die Rekonstruktion? Wie eng beschreiben die Quellen das Instrument? Welche Alternativen sind denkbar?
Die Basler Rekonstruktion wirft nicht nur ein neues Licht auf die bestehende Forschung um Vicentino, sondern führt zu neuen Fragestellungen, Einsichten und Bedürfnissen, die während der Planung der Orgel nicht absehbar waren. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden anhand konkreter Fallstudien die Fragen präzise gestellt, die sich durch die aufführungspraktische Anwendung des Arciorgano ergeben. Im praktischen Einsatz wird das implizite Wissen, das die Orgel verkörpert, greifbar, und im Rahmen dieser Fallstudien erläutert.
Es ist absehbar, dass für die verbale Beschreibung die konventionellen Begriffe aus dem Bereich der Musiktheorie an ihre Grenzen kommen. Das aus den Fallstudien entstehenden Bedürfnis nach einer tiefgründingen Betrachtung verschiedener Zeichensysteme (Notation, Intervallterminologie, mathematische Modelle für Tonsysteme) in historischer sowie systematischer Ausprägung wird im dritten Teil der Arbeit behandelt. Es wird untersucht, welche Systeme bzw. Modelle für welche Anwendungsbereiche leistungsfähig sind, und wie ihre Grenzen erfasst werden können.