Französische Satzmodelle des Grand Siècle

Veröffentlicht: 14.09.2020     Autor/in: Johannes Menke

Abstract

In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, satztechnische Charakteristika des während der Regierungszeit von Louis XIV etablierten französischen Kompositionsstils als Satzmodelle zu benennen und dingfest zu machen. Dabei knüpfen die Überlegungen an Robert O. Gjerdingens Konzept von «schemata» an, die nicht nur allgemeine Satztechniken, sondern einen spezifischen Stil repräsentieren. Hierbei konzentriert sich die Darstellung auf Aspekte der Harmonik und des Kontrapunkts, mithin auf vertikale Einzelklänge (accompagnements extraordinaires) und Klangfortschreitungen (progressions). Einige Satzmodelle werden in theoretischen Schriften der Zeit behandelt, andere wurden aus der Musik abgeleitet. Mithilfe der Satzmodelle lassen sich französische Stilmerkmale der Harmonik und des Kontrapunkts analytisch benennen und auch heute improvisatorisch umsetzen.

Zitierweise

Johannes Menke, "Französische Satzmodelle des Grand Siècle". Forschungsportal Schola Cantorum Basiliensis, 2020.
https://forschung.schola-cantorum-basiliensis.ch/de/publikationen/menke-franzosische-satzmodelle.html (Abgerufen am TT MM JJJJ)

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Le cri ist ein sehr dissonanter und auffälliger Klang (daher die von mir gewählte Bezeichnung), der von den Komponisten sehr gerne am Ende von Sätzen zwecks klanglicher Intensivierung eingesetzt wird. Der Klang wird von folgenden Theoretikern (vgl. Übersicht der theoretischen Schriften am Schluss) beschrieben: Charpentier f. 9r, Delair F, Masson S. 75, Saint-Lambert S. 35, Campion S. 14 sowie dazugehörige Tabelle, Dandrieu XVIII, Rameau S. 38.

La clé – Der Schlüssel

Klänge mit None und Septime finden sich in französischer Musik ausgesprochen oft. Ein aufsteigender Bass mit ineinander verschränkten Septnonvorhalten wurde von Folker Froebe [8] als «französischer Modellkomplex» beschrieben. Vorformen lassen sich in italienischer Musik beobachten, so im Schlusschor von Giacomo Carissimis [9] Jephte. In unserem Kontext geht es um den gezielten Einsatz des Septnonklanges auf der vierten Bassstufe als Vorbereitung («Schlüssel») zu einer Kadenz. Dabei sind folgende Varianten [10] denkbar (Bsp. 2).

Bsp. 2: La clé, Varianten in Dur und Moll.

Ein prominentes Beispiel, das ganz vom Klang der «clé» dominiert wird, ist der Refrain dieser Chaconne in F, die im Bauyn-Manuskript (S. 45) Jacques Champion de Chambonnières zugeschrieben ist (Bsp. 3). Die Position des Akkordes (zweiter Takt) mit einer Sekundreibung zwischen Terz und None ist ausgesprochen typisch für den französischen «sound».

Bsp. 3: La clé in der Chaconne in F von Chambonnières (Bauyn-Manuskript I, S. 46).

La clé wird von folgenden Theoretikern kann man in folgenden Generalbasstraktaten auffinden: Saint-Lambert S. 17 u. 21, Campion S. 14 und 17 sowie dazugehörige Tabelle, Dandrieu XIII.


La porte – Das Tor

Die Kombination von Quartvorhalt und Septime auf der Dominante ist ein Klang, der in französischer Musik bereits in er zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit einer gewissen Vorliebe gebraucht wird. In derselben Chaconne von Chambonnières (Bsp. 3) finden wir sie etwas später in folgender C-Dur-Kadenz (Bsp. 4, vorletzter Takt). Es wird hier die zweite von zwei charakteristischen Positionen (Bsp. 5) benutzt. Der Klang la porte ist der unmittelbare Zugang, das «Tor» zum Schlussklang in einer Kadenz.

Bsp. 4: La porte in der Chaconne in F von Chambonnières (Bauyn-Manuskript I, S. 46).
Bsp. 5: Zwei Varianten des dominantischen porte-Akkordes.

Le cri, la clé und la porte werden in Kadenzbildungen sehr häufig kombiniert. Die prototypische Abfolge wäre in Form eines Generalbasses folgendermaßen (Bsp. 6):

Bsp. 6: Kombination von cri, clé und porte.


In einer Allemande in d aus den Pièces de clavecin (1677) setzt Nicolas Lebègue cri vor clé ein; im ersten Takt des Beispiels (Bsp. 7) erklingt auf dem dritten Schlag la clé und man im darauffolgenden Takt wird die erwartete Dominante durch le cri hinausgezögert [11].

Bsp. 7: Schluss der Allemande in d von Nicolas Lebègue.


Eines der bekanntesten Beispiele (hier in g-Moll) ist in der berühmten Passacaille aus Lullys Oper Armide zu finden, weshalb das Modell seinen Namen erhalten hat (ab dem dritten Takt des Beispiels 9: Akkordfolge c-Moll, a-Moll, D-Dur als Stufenfolge iv-ii-V von g-Moll, die Versetzungszeichen gelten gemäß der Praxis der Zeit nur für einen Ton):

Bsp. 9: Passacaille aus Armide von Lully in der Cembalobearbeitung von d’Anglebert (aus den Pièces de Clavecin, 1689).

In einer frühen Orgelkomposition von François Couperin erscheint das Modell am Anfang eines Stückes (Bsp. 10, dritter Takt, gleiche Konstellation wie im vorherigen Beispiel von Lully).

Bsp. 10: Armide zu Beginn eines Orgelstückes von François Couperin (aus den Pièces d’orgue, 1690, Edition von Alexandre Guilmant, 1903).

L'escalier – Die Treppe

In französischen Kontrapunkttraktaten des 17. Jahrhunderts spielen die konsonierende Quarte und der Quartsextakkord eine auffallend große Rolle (normalerweise wird die Quarte zur tiefsten Stimme in der Kontrapunktlehre als Dissonanz behandelt). In seinem wirkungsmächtigen Traktat Le istitutioni harmoniche war schon Gioseffo Zarlino für eine Emanzipation des Quartsextakkordes eingetreten [13]. Antoine Parran, der stark von Zarlino beeinflusst ist, bietet in seinem Traktat von 1639 zahlreiche Möglichkeiten an, wie Quartsextakkorde einzusetzen sind. Besonders aufschlussreich ist eine Sammlung von «bons effets de divers contrepoints» (Parran, Traité de la musique théorique et pratique, contenant les préceptes de la composition, Paris 1639, S. 98ff.). Das vierte vierstimmige Beispiel lautet (Bsp. 11):

Bsp. 11: L’escalier bei Antoine Parran.

Im ersten Takt löst sich die/eine Septimdissonanz im Rahmen einer sequentiellen Melodie in einen Quartsextakkord auf. Aus dieser Konstellation lässt sich eine kleine Familie (Bsp. 12) ableiten, die wegen der Bewegung der Oberstimme den Namen l’escalier bekommen soll.

Bsp. 12: Die escalier-Familie.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist l’escalier eine typisch französische Ausformung der 7-6-Kette, die deren Verwandtschaft mit der Quintfallsequenz und Rameaus Operation mit der basse fondamentale schon vorwegzunehmen scheint.

Das folgende Beispiel von Lully (Bsp. 13) zeigt die Grundform mit der Folge Sept- und Quartsextklang (ab Takt 5 im Beispiel). Dieses Modell kann noch wie eine verzierte Fassung der normalen 7-6-Kette wirken, mit Superjectiones [14] in der Mittelstimme.

Bsp. 13: Aus der Chaconne aus Phaeton (1683) von Lully in der Bearbeitung von d’Anglebert (1689).

Schon Lully/d’Anglebert machen aber von der Technik Gebrauch, den Bass in den Grundton des Quartsextakkordes springen zu lassen (ab Takt 7 im folgenden Beispiel 14):

Bsp.14: Air d’Apollon aus Triomphe de l’amour (1681) von Lully in der Bearbeitung von d’Anglebert (1689).

Von hier aus scheint der Weg nicht mehr weit zu Jean-Philippe Rameaus Konzept der basse fondamentale: Rameau zeigt in einem Beispiel seines Traité die 7-6-Folge mit Terzquartakkorden (die im französischen Generalbass «petite sixte» genannt werden) und ihre Beziehung zum Quintfall (Bsp. 15).

Bsp. 15: Rameau, Traité de l’harmonie, Paris 1722, S. 394.

Rameau schreibt dazu:

  1. Vous trouverez ici deux Basses sous les mêmes Accords, dont l’une monte de Quarte ou descend de Quinte, en portant par tout un Accord de Septiéme, pendant que l’autre descend diatoniquement, en portant sur chaque Notte en même degré l’Accord de Septiéme et celui de la petite Sixte, ce qui est conforme à nos Regles précédentes.

  1. Sie sehen hier zwei Bässe unter denselben Akkorden, von denen der eine eine Quarte steigt oder eine Quinte fällt, wobei er immer den Septakkord trägt, während der andere diatonisch absteigt, wobei er über jeder Note auf der gleichen Stufe den Akkord der Septime und den Terzquartakkord [petite Sixte] trägt, was mit unseren vorausgehenden Regeln übereinstimmt [15].



Les ciseaux – Die Schere

Im schon oben erwähnten Beispiel für «bons effets» bringt Parran ein Modell mit Gegenbewegung der Außenstimmen, die einen Quartsextakkord beinhalten (Bsp. 16, erster Takt, dritter Schlag). Dabei bewegt sich der Tenor in Dezimparallelen zum Sopran.

Bsp. 16: Les ciseaux bei Parran.

Intervallisch lässt sich folgendes Gegenbewegungsmodell davon ableiten (Intervalle bezogen auf einen linear absteigenden Bass):

6

8

10

(12)

4

6

8

(10)




Die strikte Gegenbewegung dieses Modells lässt die Assoziation von zwei aufgehenden Scherenhälften zu, weshalb ich dieses Modell les ciseaux nenne.

Bezogen auf Dur-Moll-Tonalität lassen sich zwei Varianten besonders häufig beobachten: mit Quartsextakkord auf der dritten oder auf der vierten Stufe. Der Quartsextakkord wird hier meist regulär als Dissonanz behandelt und entweder per Syncopatio vorbereitet oder als Durchgang gebracht. Wiederum lässt sich eine kleine Satzmodellfamilie aufstellen (Bsp. 17).

Bsp. 17: Die ciseaux-Familie.

Schon Louis Couperin macht regelmäßig und ausführlich Gebrauch von diesem Modell. Wir finden es im nächsten Beispiel (Bsp. 18) auf der vierten Stufe von F-Dur (Takt 5) sowie auf der dritten Stufe von d-Moll (Takt 13).

Bsp. 18: Louis Couperin, Sarabande in d (Bauyn-Manuskript II, S. 33).

In den meisten Fällen bleibt es beim Quartsextakkord; gelegentlich wird der Klang aber auch zu einem Sekundakkord aufgefüllt, was naheliegt, weil die Syncopatio des Basses typischerweise mit einer Sekunde einhergeht (vgl. Bsp. 19, Takt 5).

Bsp. 19: Louis Couperin, Sarabande in d (Bauyn-Manuskript II, S. 35).


Le chat – Die Katze

In seinen Règles de composition beschreibt Charpentier eine mit dem Modell ciseaux verwandte kontrapunktische Konstellation, in der es zu zwei abwärts geführten parallelen Quarten kommt; eine weitere parallele Quarte will Charpentier allerdings nicht zulassen [16]. In den Werken von François Couperin allerdings sind immer wieder Stellen anzutreffen, in denen der Komponist drei Quartsextakkorde parallel abwärts führt. Oftmals wiederholt Couperin dieses Modell demonstrativ, als ob er darauf hinweisen würde. Typischerweise sitzen die parallel geführten Quartsextakkorde entweder auf den Stufen 6.-5.-4. oder 4.-3.-2. Es sind jedoch auch andere Stufenfolgen denkbar. Das Modell ist sowohl in Dur wie in Moll anzutreffen, wobei es in Moll wegen der verminderten Quarten noch reizvoller wirkt (Bsp. 20). Die gleichsam schwerelosen Quartsextakkorde führen zu einer samtig-leicht anmutenden Akkordfolge, die an den behutsamen Gang einer Katze denken lässt, weshalb ich das Modell le chat nenne.

Bsp. 20: Das Modell le chat in d-Moll (dorische Vorzeichnung).

In einem petit motet verwendet Couperin das Modell auf die Worte «salutare tuum da nobis» auf die oben beschrieben repetitive Weise. Er wendet die parallelen Quartsextakkorde in Dreiergruppen auf die Skalenstufen 5.-4.-3. und 6.-5.-4. an (Bsp. 21).

Bsp. 21: François Couperin, Ostende nobis Domine, aus: Sept versets du motet, 1704.

Aus den zahlreichen Beispielen der Clavecinwerke sei hier nur eines herausgegriffen (Bsp. 22): In La Pateline (Die Schmeichlerin) wird le chat mit les ciseaux kombiniert.

Bsp. 22: François Couperin, Quatrième ordre, La Pateline (1713).



La piqûre – Der Stich

Marc-Antoine Charpentier hatte sowohl als Komponist wie auch als Theoretiker eine Schwäche für verminderte und übermäßige perfekte Konsonanzen. Die gilt nicht nur für Quarte und Quinte, auch die übermäßige und die verminderte Oktave behandelt er in seinen Règles de composition. Die verminderte Oktave erscheint in einem Kontext, den man als Halbschluss (nach La Voye Mignot die «cadence attendente») bezeichnen kann [17]. Hiervon lässt sich ein Modell ableiten, das auch bei anderen Komponisten eine wichtige Rolle spielt und das wegen seiner kurzen und leicht schmerzhaften Dissonanz la piqûre genannt sein soll.

Bsp. 23: Das Modell la piqûre.

François Couperin wendet la piqûre immer wieder an, so im Eröffnungsstück des Septième ordre aus dem Second livre von 1717 (vgl. Bsp. 24, der Vorschlag c gegen das cis im vorletzten Takt).

Bsp. 24: François Couperin, Septième ordre, La Ménetou (1716).

Der durch Gegenbewegung vorbereitete Halbschluss entspricht Robert Gjerdingens Schema «Converging», das ebenfalls die verminderte Oktave auf der erhöhten vierten Skalenstufe aufweisen kann [18].


Le sourire – Das Lächeln

Der Ganzschluss, die omnipräsente cadence parfaite, ohne die kein Stück auskommt, wird in französischer Barockmusik oft auf spezielle Weisen behandelt, die sich von italienischen Typen grundsätzlich unterscheiden. Wiederum ist es u. a. der Quartsextvorhalt, der eine besondere Rolle spielt. Eine andere besonders charakteristische Wendung ist eine ganz bestimmte Variante der Tenorklausel in Moll, wobei die Moll-Terz der Tonart vorher passiert wurde und kurz vor Eintritt der Ultima die Septime über die Dur-Terz erreicht wird, welche am Ende auch eintritt.

Bsp. 25: Das Modell le sourire in a-Moll.

Diese Moll-Dur-Aufhellung ist in zahllosen Moll-Kompositionen zu beobachten. Wir finden sie jedoch auch in Dur-Stücken, wenn die Terz der Tonart vor der Kadenz «vermollt» wird, wie in folgendem Beispiel aus der Apothéose de Corelli, die den Nouveaux concerts (1724) beigefügt ist (Bsp. 26; hier handelt es sich um eine cadence parfaite auf die fünfte Stufe von D-Dur).

Bsp. 26: Le sourire in Corelli buvant à la source d’Hippocrène, aus der Apothéose de Lully von François Couperin.

Auch in den Préludes non mesurés ist diese Kadenzvariante anzutreffen, so etwa am Ende des berühmten Prélude à l’imitation de Froberger von Louis Couperin (Bsp. 27). Die Kenntnis der französischen Satzmodelle vermag hier auch bei der Aufführungspraxis hilfreich zu sein: Erkennt man die Satzmodelle, so kann man sich in den Notentexten – nicht nur der Préludes non mesurés – wesentlich leichter zurecht finden. Darüber hinaus hoffe ich, mit der Benennung französischer Satzmodelle des Grand Siècle den Zugriff auf stilistische Eigentümlichkeiten der Harmonik und des Kontrapunkts erleichtert zu haben. Der hier präsentierte Katalog ist zu verstehen als erster Schritt, um die spezifisch französische Färbung der Satztechnik seit den 1660er-Jahren besser nachvollziehbar zu machen. Eine noch ausführlichere Darstellung ist in Vorbereitung.

Bsp. 27: Louis Couperin, Schluss des Prélude in a (Bauyn-Manuskript II, S. 12).
[1]

Vgl. hierzu den Artikel «Stil» in: Österreichisches Musiklexikon online, www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Stil.xml (1.7.2020).

[2]

Wilhelm Seidel, Französische Musiktheorie im 16. und 17. Jahrhundert, in: Frieder Zaminer (Hg.), Geschichte der Musiktheorie, Bd. 9, Darmstadt 1986, 116.

[3]

Hier sei lediglich genannt: Jean-François Dandrieu, Principes de l’accompagnement du clavecin, Paris 1718, XVIII; Rameau verdeutlicht anhand dieses Klanges sein Prinzip der «supposition» (Traité de l’harmonie, Paris 1722, 38).

[4]

David Tunley, François Couperin and the «Perfection of Music», New York 2016, 62.

[5]

www.epfl.ch/labs/dcml/projects/vw-project/ (1.7.2020).

[6]

Johannes Menke, Kontrapunkt II: Die Musik des Barock, Laaber 2017, 112–149.

[7]

Vgl. Jean-Philippe Rameau, Traité de l’harmonie, Paris 1722, 64ff.

[8]

Folker Froebe, «Zur Rekomposition eines ›französischen‹ Modellkomplexes in Bachs Pièce d’Orgue (BWV 572)», in: Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 9/1, 51–68. https://doi.org/10.31751/662.

[9]

Johannes Menke, Reworking Carissimi: Händels Bearbeitung des Schlusschores aus Jephte im Oratorium Samson, in: Basler Jahrbuch für historische Musikpraxis 38 (2014, erschienen: 2018), 55–67.

[10]

Zu den Begriffen «Dur» und «Moll» bei Varianten im Bsp. 2: Der Übergang der Modalität zu einem polaren Denken in Dur und Moll ist ein komplexer Prozess, der im 17. Jahrhundert stattfindet und erst am Beginn des 18. Jahrhunderts abgeschlossen ist. Sehr wohl lässt sich seit Zarlino von mollaren und duralen Modi sprechen, was hier mit gemeint ist.

[11]

Beispiele wie dieses könnten Rameau zu seiner Theorie der supposition gebracht haben: Der Umstand, dass hier statt des f genauso gut ein a (also der erwartete Dominantgrundton) im Bass stehen könnte, kann dazu verleiten, das f als supposition zu verstehen. Gemäß Rameau wäre die basse fondamentale hier in der Tat a und nicht f.

[12]

Zur Frage der Modi im französischen 17. Jahrhundert: Gérard Geay, «L’édition de la polyphonie française du 17e siècle», in: Towards Tonality: Aspects of Baroque Music Theory, Leuven: Leuven University Press 2007, 71–89.

[13]

Gioseffo Zarlino, Le istitutioni harmoniche, Venedig 1558, 245–246.

[14]

Als Superjectio beschreibt man abspringende obere dissonante Nebennoten, mit denen absteigende Sekunden verziert werden können, vgl. Johannes Menke, Kontrapunkt II: Die Musik des Barock, Laaber 2017, 191.

[15]

Übersetzung des Verfassers.

[16]

Vgl. Marc-Antoine Charpentier (1643–1704), Règles de composition, Ms. ca. 1692, f. 10r.

[17]

Vgl. Marc-Antoine Charpentier (1643-1704), Règles de composition, Ms. ca. 1692, f. 10v.

[18]

Robert Gjerdingen, Music in the Galant Style, New York: Oxford University Press 2007, 160ff.