Rybeben am Hof Maximilians I.

Veröffentlicht: 30.10.2015     Autor/in: Martin Kirnbauer

Abstract

Fast zeitgleich mit den 1511 erstmals in Sebastian Virdungs Mvsica getvtscht genannten «Groß Geigen» finden sich grössere Streichinstrumente in ‘da gamba’-Haltung auch unter dem Namen «Rybeben» am Hofe König Maximilians von Österreich (1459-1519). Allerdings stehen ihrer bildlichen Darstellung im Triumphzug, einem ab 1512 geplanten und in mehreren Ausführungen erhaltenen Bildzyklus zur Verherrlichung der Herrschaft Maximilians, leider nur wenige weitere archivalische Dokumente gegenüber, die belastbare Aussagen über ihre musikalische Verwendung erlauben würden.

Forschungsprojekt

Groß Geigen, Vyolen, Rybeben – Nordalpine Streichinstrumente um 1500 und ihre Praxis

Zitierweise

Martin Kirnbauer, "Rybeben am Hof Maximilians I.". Forschungsportal Schola Cantorum Basiliensis, 2015.
https://forschung.schola-cantorum-basiliensis.ch/de/forschung/fruehe-streichinstrumente-2/kirnbauer-rybeben-bei-maximilian.html (Abgerufen am TT MM JJJJ)

Lizenz

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Abb. 2: Triumphzug „Musica süeß Meledey“ (Holzschnitt von Hans Burgkmair).
Quelle: Public domain

Bekanntlich geht das monumentale Projekt des Triumphzugs auf ein Programm zurück, das der Kaiser selbst seinem Sekretär Marx Treitzsaurwein 1512 diktiert haben soll (dazu unten mehr [2]). Nach diesen Angaben fertigte Albrecht Altdorfer und seine Regensburger Werkstatt Miniaturen des Triumphzugs auf Pergament an. Allerdings ist ausgerechnet der erste Teil mit den Musikerwagen nicht erhalten, so dass wir das genaue Aussehen der ursprünglich gemalten Instrumente hier leider nicht kennen. Die Miniaturen war aber nicht das beabsichtigte Endprodukt, geplant waren grossformatige Holzschnitte. Für die Umsetzung der Bilder von den Miniaturen in die Holzschnitte wurden weitere Künstler beschäftigt, die Vorlage-Zeichnungen im grösseren Format der Holzschnitte anfertigten: Die meisten Vorzeichnungen (66 Stück) fertigte Hans Burgkmair in Augsburg, weitere Albrecht Altdorfer in Regensburg (32 Stück), Hans Springinklee in Nürnberg (22 Stück) sowie Leonhard Beck in Augsburg und andere Künstler wie Hans Huber, Hans Schäufelein und Albrecht Dürer. Diese Zeichnungen wurden dann auf Holzstöcke übertragen, was erklärt, warum sie nicht erhalten sind, da sie bei diesem Vorgang zerstört und zudem auch überflüssig wurden. Schliesslich wurden die Holzstöcke von Spezialisten geschnitten [3].

Schon diese Übersicht macht deutlich, dass die Entstehungsgeschichte der Bilder des Triumphzugs einigermassen komplex ist – und dass die Bilder an ganz verschiedenen Orten entstanden: Zuerst imaginiert im Kopf von Maximilian bzw. seines Sekretärs Treitzsaurwein, die den Instrumenten auf den zu malenden Bildern Namen gaben. Dann folgte aufgrund der Namen in der Regensburger Werkstatt von Altdorfer und den beteiligten Künstlern eine Umsetzung in eine konkrete Gestalt. Dabei ist anzunehmen, dass sowohl für den Auftrag an Altdorfer wie auch später für die Ausführung durch die verschiedenen Künstler es weitere Bildvorlagen und Skizzen mit Ausführungsanweisungen gab, die aber nicht erhalten oder bislang identifiziert sind [4].

Zwar sind die ursprünglich von Albrecht Altdorfer angefertigten Miniaturen heute nur noch zur Hälfte erhalten, der vollständige Miniaturen-Zyklus wurde aber im späten 16. bzw. im frühen 17. Jahrhundert zweimal auf Pergament kopiert: Der früher entstandene Kopiensatz liegt heute in Wien (A-Wn Cod. Min.77), ein zweiter von etwa 1606 in Madrid (E-Mn Res. 254). [5] Beide Kopien sind interessant, da an ihnen zum einen deutlich wird, dass die ursprüngliche Vorlage gegenüber den ausgeführten Holzschnitten offenbar anders aussah. Zum anderen wird auch deutlich, dass sich beide Kopien auch untereinander in Details unterscheiden, was den Begriff einer ‘Kopie’ relativiert [6]. Zugleich kann daraus gefolgert werden, dass Burgkmair und die anderen Künstler die Vorlagen und Vorgaben für die Holzschnitte je etwas anders interpretierten – und wohl auch die Kopierer der Miniaturen sich Freiheiten herausnahmen.

Schliesslich sind noch weitere Zeichnungen zu nennen, die zeitnah zur Entstehung des Triumphzugs zu datieren sind. Da sind zum einen Skizzen, die früher dem Innsbrucker Hofmaler Jörg Kölderer zugeschrieben wurden (und entsprechend früh datiert wurden), gemäss ihren Wasserzeichen aber aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen [7].

Die Entstehungsgeschichte des Triumphzugs lässt sich übersichtsartig wie folgt darstellen (in spitzen Klammern ist die jeweilige Quelle dafür angegeben):

1512

‘Konzept’ von Maximilian/Treitzsaurwein <A-Wn Cod. 2805>

‘Reinschrift’ von Treitzsauerwein <A-Wn Cod. 2835>

1512-1515

Vorstudien zu Bildern <deest>

Miniaturen-Folge von Altdorfer <A-W Albertina Inv. 25205-25263>

Umsetzen für Holzschnitte (durch Burgkmair, Altdorfer, e.a.) <deest>

[Anweisungen für Burgkmair <D-Dresden Kupferstichkabinett Inv. G 2004-1>]

1516-1518

Schneiden der Druckstöcke <A-W Albertina Inv. HO2006/170-303>

1526

1. Druck des Triumphzugs

2. H. 16. Jh.

Federskizzen <A-W Albertina Inv. 43299-43315>

nach 1570

2. Druck des Triumphzugs

spätes 16. Jh.

Kopie der Miniaturen Altdorfers <A-Wn Cod. Min. 77>

1606

Kopie der Miniaturen Altdorfers <E-Mn Res. 254>

1777

3. Druck des Triumphzugs

1796

4. Druck des Triumphzugs

1883/84

5. Druck des Triumphzugs

Abb. 3: Detail der rechten Rybebe, in „Musica Lauten und Rybeben“ (A-Wn Cod. Min. 77, fol. 9).
Quelle: http://data.onb.ac.at/rec/AL00225387 Scan 25 © für Abb. 3-5: Österreichische Nationalbibliotek Wien
Abb. 4: Detail der linken Rybebe, in „Musica Lauten und Rybeben“ (A-Wn Cod. Min. 77, fol. 9).
Quelle: http://data.onb.ac.at/rec/AL00225387 Scan 25
Abb. 5: Detail der Rybebe in „Musica süeß Meledey“ (A-Wn Cod. Min. 77, fol. 10).
Quelle: http://data.onb.ac.at/rec/AL00225387 Scan 27

In der Holzschnittversion von Burgkmair hingegen weisen alle diese Instrumente einheitlich spitze Oberbügel und C-Schalllöcher auf. Auffällig ist beim von hinten zu sehenden Instrument eine eigenartige Verlängerung des Halses auf dem Boden. Beim Wagen der «Musica Lauten vnd Rybeben» änderte Burgkmair auch die Gruppierung dieser Instrumente, wo nun die fünf Musiker in einer Dreiergruppe von Lautenisten links und einer Zweiergruppe mit Streichinstrumenten rechts sitzen. Bemerkenswert ist weiter, dass kein einziges der Instrumente in wirklich ‘da gamba’, d.h. zwischen den Beinen gehalten, dargestellt ist. Allerdings sind die erhaltenen Miniaturen und Skizzen zu unterschiedlich ausgeführt sind, um weitergehende Aussagen zu machen – und die Holzschnitte stellen ja nur eine graphische Interpretation der Vorgaben dar, suggerieren dabei aber reale Instrumente (und dies mehr als die Miniaturen).

[1]

Vgl. etwa Myers 2007 oder die praktische Zusammenstellung bei Henning 1987.

[2]

Aufgezeichnet in A-Wn Cod. 2835, fol. 3r-25r mit dem von Maximilian 1512 diktierten (‘müntlichem angeben’) Programm, aufgezeichnet von Marx Treitzsaurwein; vgl. Schestag 1883, 154. Aus der reichen Literatur zum Triumphzug sei hingewiesen auch auf Michel und Sternath 2012 und Myers 2007.

[3]

«Musica süeß Meledey» wurde am 25. November 1516 von Jan Taberith, «Musica Lauten und Rybeben» am 5. März 1517 von Willem Liefrinck geschnitten; Schestag 1883, 177.

[4]

Als Ausnahme zu nennen ist wohl das verbale Programm für Burgkmair (im Kupferstichkabinett Dresden, Inv. G 2014-1).

[5]

Vgl. Michel und Sternath 2012, 244–247 (Kat. 54 + 54a), und Myers 2007.

[6]

Laut Michel und Sternath 2012, 244, wurde die Madrider Kopie mittels Pausverfahren von einem der Wiener Miniaturen angefertigt, allerdings kann nicht bestimmt werden, welcher der beiden Versionen Vorbild etwa für die Musikerwagen waren.

[7]

Albertina Inv. 43299-43315, und eine Zeichnung der «Musica Lauten vnd Rybeben» im Kupferstichkabinett Berlin, die mit «HB 1520» bezeichnet ist (KdZ 17657).

[8]

Vgl. hierzu auch den Beitrag von Thilo Hirsch 2015.

[9]

Der monumentale Riesenholzschnitt wurde 1515 von Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer angefertigt, die Instrumenten finden sich jeweils am Fusse der beiden mittleren Säulen.

[10]

A-Wn Cod. 2835, fol. 7 r+v bzw. 8v-9r (so und ähnlich dann auch in den Skizzen sowie der bekannten Edition von Schestag 1883, 158 und 159); Hervorhebungen von mir.

[11]

Sachs 1913, Sp. 324b.

[12]

Myers 2007, 11 Fn. 30. Vgl. auch Polk 1992a, 30, der feststellt, dass im deutschen Sprachbereich der Terminus ‘rebec’ und seine Derivate «extremeley rare» gewesen wären.

[13]

Simonsfeld 1903, 318.

[14]

Unbestimmt bleiben allerdings auch die genannten ‘bagatelle’.

[15]

Simonsfeld 1903, 316.

[16]

Simonsfeld 1903, 284.

[17]

Tatsächlich findet sich ein Instrumentenname ‘Ribebe’ in Italien öfters, etwa bereits in der Boccacios Decamerone (Nona giornata, Novella quinta: «Ma laltro di recata la ribeba con gran dilecto di tutta la brigata canto piu canzoni con essa.»). Vgl. hierzu auch den Beitrag von Thilo Hirsch 2015.

[18]

Allerdings würde vielleicht eine Auswertung der sogenannten ‘Gedenkbücher’ ein anderes Bild ergeben, denn hieraus wurden offenbar bislang nur Notizen in Hinblick auf die Sänger und Hofkantorei publiziert (vgl. Schweiger 1931/32, 363–374).

[19]

Augsburg, Baumeisterbuch fol. 28 (zitiert nach dem Typoskript «Sammlung von Quellen zur Musikgeschichte bis 1600 in Städten und an Fürstenhöfen» von Gerhard Pietzsch in D-Mbs, Abteilung Nachlässe und Handschriften, Ana 396).

[20]

Polk 1992b, 82; Polk 1992a, 91. Vgl. auch Grassl 1999, 211.

[21]

Bestallung im HHSTA Wien, AUR 1519 XII/7; hier zit. nach Hintermaier 1993, 38.