Die neue Basso continuo-Orgel – ein einzigartiger Prototyp
Die Orgelspezialisten in der Fachgruppe Tasteninstrumente an der SCB (Jörg-Andreas Bötticher, Andrea Marcon, Tobias Lindner, Wolfgang Zerer) erarbeiteten in intensiven Diskussionen das Konzept für diese neue Orgel mit neun Registern, die unterschiedliche Stimmtonhöhen, Temperaturen und regional charakteristische Register in einem Werk vereint.
In dieser Disposition – wie sie schliesslich gebaut wurde – stehen jeweils nur wenige Register für eine Stimmtonhöhe und Temperatur zur Verfügung. Es war daher offensichtlich, dass die Orgel vor allem für das Basso continuo-Spiel dienen sollte.
Als feststehendes Continuo-Instrument erfüllt die Orgel noch ein weiteres historisches Kriterium, das in der aktuellen Praxis der Alten Musik aus pragmatischen Gründen oft aus dem Blick gerät. Die heute für das Ensemblespiel meist üblichen kleinen und sehr mobilen Truhenorgeln mit gedackten Holzregistern haben keine historischen Vorbilder (tragbare Prozessionsorgeln z.B. dienten einem ganz anderen Zweck als dem Ensemblespiel). Wir sind es daher nicht gewohnt, dass eine Orgel mittlerer oder sogar beträchtlicher Grösse, die in einer Kirche, einem barocken Fest- bzw. Musiksaal oder einem adeligen oder bürgerlichen Salon fest installiert ist, [3] Continuo-Aufgaben erfüllt. Diese Instrumente, die nicht auf die Kompromisse der kleinen Bauweise angewiesen sind, verfügen über eine wesentlich grössere Klangfülle als die modernen Truhenorgeln und veranlassen die Sänger:innen und Instrumente auf diese Weise zu einer Tongebung, die sich gegenüber dem Orgelklang behaupten kann; oder umgekehrt: die Orgel wird zum klanglichen Hauptakteur, an den sich die anderen Stimmen anpassen. Das Musizieren erhält in jedem Fall eine andere Qualität, die den historischen Gegebenheiten viel mehr entspricht, ausserdem orientiert sich die Aufstellung des Ensembles an der Position der Orgel und nicht umgekehrt. [4]
Ein weiterer wichtiger Faktor für das Basso continuo-Spiel ist gemäss etlichen, vor allem deutschsprachigen Quellen ein Pedal in 16’-Lage, eine Praxis die noch kaum wiederbelebt wurde. [5] Ein Pedal kann natürlich nur in einer feststehenden Orgel verbaut werden und setzt eine gewisse Grösse, bzw. Höhe des Raumes voraus, um die langen Pfeifen unterzubringen. Die neue Orgel schafft also auch in dieser Hinsicht die Möglichkeit, eine verlorene Praxis zurückzugewinnen.