Die «Tambours» am Hof Ludwigs XIV. und Ludwigs XV.

Veröffentlicht: 01.01.2009     Autor/in: Thilo Hirsch

Forschungsprojekt

La Grande Écurie du Roi

Zitierweise

Thilo Hirsch, "Die «Tambours» am Hof Ludwigs XIV. und Ludwigs XV.". Forschungsportal Schola Cantorum Basiliensis, 2009.
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Abb. 1: Benennungen der Instrumententeile [Quelle: Michael Praetorius, Syntagma musicum, Wolfenbüttel 1619, Tafel XXIII] © T. Hirsch.

„La tambour du quel usent les francois [...] est de bois cave long d’environ deux pieds & demy, estoupé d’un cousté & d’aultre de peaulx de parchemin, arrestées avec deux cercles denviron deux pieds & demy de diametre, bandées avec cordeaux affin qu’elles soient plus roides [...]. Vous mettes des petits liens & boucles, à chacune reflexion des cordeaux du tambour.“

„Das Tambour, welches die Franzosen benützen, ist aus Holz und innen hohl. Es ist ungefähr zweieinhalb Fuss lang und auf beiden Seiten mit Fellen aus Pergament bedeckt, die von zwei Ringen mit ca. zweieinhalb Fuss Durchmesser gehalten, und mit Seilen gespannt werden. Man schlingt kurze Bänder um jede Schlaufe [Bahn] dieser Tambour-Seile.“

Das von Arbeau beschriebene, aus Holz hergestellte Tambour hat (genauso wie die heutige Basler Trommel) ein quadratisches Format, das heisst, Höhe (bei Arbeau „Länge“) und Durchmesser sind gleich. Bei dem von Arbeau angegebenen Fussmass könnte es sich sowohl um den Pied du Roy, als auch um den etwas kürzeren Pied de Dijon [5] [Herbert Heyde, Musikinstrumentenbau, Leipzig 1986, S. 74.] handeln. Bei beiden ergibt sich eine sehr grosse Trommel mit 81,2 oder 78,5 cm Höhe und Durchmesser. Wenn man allerdings in Arbeaus Abbildung des Trommelspielers diese Trommelgrösse zugrundelegt, würde die Körpergrösse des Trommlers bei 215 cm bzw. 208 cm liegen! Bei Arbeaus „ungefähr zweieinhalb Fuss“ handelt es sich demnach wahrscheinlich um eine Maximalgrösse, nicht um die allgemein gebräuchliche.

Abb. 2: Thoinot Arbeau, Orchesographie, Langres 1588, S. 7. Foto: public domain.

Weder Druckreifen noch eine Schnarrsaite (Timbre) sind bei Arbeau erwähnt oder auf einer der Abbildungen zu erkennen. Bemerkenswert sind die bei Arbeau abgebildeten doppelten Struppen, die auch an einigen anderen Bildquellen des 16. Jahrhunderts zu erkennen sind.

Eine Abbildung von „Soldaten Trummeln“ in Verbindung mit zwei „Schweizer Pfeifflin“ findet sich 1619 in Michael Praetorius Syntagma musicum[6] Der sehr detailreiche Stich erlaubt, zusammen mit dem darunter befindlichen Massstab, eine Grössenbestimmung unter Verwendung des damals gültigen Fussmasses von 28,42 cm im Herzogtum Braunschweig. [7]

Abb. 3: Michael Praetorius, Syntagma musicum, Wolfenbüttel 1619, Tafel XXIII. Foto: public domain.

Auch hier hat die Trommel einen „quadratischen“ Grundriss, ist allerdings erheblich kleiner als bei Arbeau. Höhe und Durchmesser betragen jeweils ca. 56,8 cm. Die Trommel hat 9 Bahnen, Fellwickel- und niedrige Druckreifen. Struppen, Schnarrsaite (auf der Abbildung ist nicht ganz klar zu erkennen, ob es sich um eine einzelne Schnarrsaite, oder um eine Doppelsaite handelt), Schloss und das Schalloch (mit den kreisförmig darum angeordneten Nägelköpfen) sind gut zu erkennen.

Marin Mersenne geht 1636 in seiner Harmonie universelle [8] noch genauer auf die für Tambours verwendeten Materialien ein:

Expliquer la matiere dont on fait les Tambours, & les termes dont on exprime toutes leurs parties.


Le Tambour a plusieurs parties considerables, dont le corps AGIK, ou LAEK s’appelle la quaisse, & se peut faire de leton, ou de bois; on la fait ordinairement de chesne, encore que l’on puisse se servir de toutes les autres especes de bois qui se peuvent ployer en forme de cylindre. Or la hauteur de cette quaisse AI, ou EK est quasi esgale à sa largeur LK, ou AC, qui monstre quant & quant la largeur de la peau, dont on couvre la quaisse, & que l’on bande dessus par le moyen de cercles AC, & IK, ausquels sont attachez KG, LG, & IG, qui servent à tendre ou à detendre, & débander la peau; car lors que l’on hausse les nœuds marquez par la lettre G, iusques au cercle ADC, l’on débande la peau ABCD; lors qu’on les abbaisse iusques au trou H, on la bande: c’est pour ce sujet que chaque nœud embrasse deux chordes, & qu’on les fait coulans afin de faire hausser, ou baisser le ton des Tambours. On les fait ordinairement de peau de mouton, comme les parchemins ABED, & ABCD, ou de la mesme matiere que les chordons KG, que l’on peut faire de chanvre, ou de soye ; les Facteurs les appellent tirans.




Mais il faut remarquer que tous ceux qui croyent que l’on fait les parchemins des Tambours de peaux d’Asnes se trompent lourdement, car on les fait seulement de peaux de mouton, quoy qu’on les prenne un peu plus fortes, & plus espaisses pour servir aux grands Tambours, afin qu’elles durent plus long-temps.

I’ay icy mis le Tambour en deux façons, afin que l’on voye le parchemin, ou la peau ABCD, sur laquelle on frappe, ou laquelle on bat avec les bastons ACB, & celle de dessouz qui est soustenuë de la chorde AB, qui traverse par le diametre, & que l’on appelle le timbre du Tambour, le quel on fait de deux chordes, ou d’une seule chorde mise en double, & quand elle a traversé la peau, on la fait passer par un trou, afin de l’arrester avec une cheville qui paroist proche de la lettre E, & qui se diminuë comme un faucet, afin que le timbre se bande à proportion que l’on pousse ladite cheville, qui fait encore hausser ou baisser le ton du Tambour, selon que l’on la tire ou que l’on la pousse. […]

Les cercles qui tiennent la peau sur la quaisse, à scavoir ABC, & LIK s’appellent vergettes, que l’on peut faire de bois, ou de tel metal que l’on voudra [...].

On ne fait iamais les peaux du Tambour de la peau de loup [...].

Erklärung der Materialien, aus welchen Tambours gemacht werden und der Begriffe mit der alle Teile bezeichnet werden.

Das Tambour besteht aus mehreren Teilen. Der Korpus (AGIK oder LAEK), auch Quaisse genannt, kann aus Messing oder Holz gemacht werden. Normalerweise wird er aus Eichenholz hergestellt, aber man kann auch alle anderen Holzarten verwenden, die sich gut in eine zylindrische Form biegen lassen. Die Höhe des Korpus (AI oder EK) ist fast gleich wie seine Breite (LK oder AC, durch welche die Grösse des Fells festgelegt wird, mit dem der Korpus bedeckt wird. Die Felle werden durch die Reifen (AC oder IK) gehalten, an welchen die Seile (KG, LG und IG) befestigt sind, die zum Spannen oder Entspannen des Fells dienen. Indem man die Knoten [Struppen] (G) nach unten bis zum Reifen (ADC) schiebt, entspannt man das Fell (ABCD), wenn man die Knoten [nach oben] bis zum Schalloch (H) schiebt, spannt man es. Aus diesem Grund „umarmt“ jeder Knoten zwei Seile und ist auch sonst verschiebbar, um die Tambours höher oder tiefer zu stimmen. Die Struppen (Tirans) sind normalerweise aus Schafsfell wie die Trommelfelle (ABED und ABCD), oder aus demselben Material wie die Seile (KG), für die man Hanf oder Seide verwendet.

Diejenigen, die glauben, dass man die Trommelfelle der Tambours aus Eselshaut herstellt, täuschen sich schwer, da man nur Schafsfelle verwendet. Für die grossen Tambours wählt man etwas stärkere und dickere Felle aus, damit sie länger halten.



Ich habe hier das Tambour auf zwei Arten abgebildet, damit man einmal das Schlagfell (ABCD) sieht, und einmal das untere Fell (Resonanzfell)(ACB), über welches in der Mitte eine Saite (AB) gespannt ist, die Timbre (Schnarrsaite) genannt wird. Diese besteht aus zwei Saiten, oder einer Saite die zusammengelegt wurde. Diese wird über das Fell geführt, durch ein Loch im Reifen gezogen, und an einem sich sichelförmig verjüngenden Wirbel in der Zarge befestigt. Die Schnarrsaite spannt, sich wenn man den oben genannten Wirbel dreht, und man kann damit das Tambours höher oder tiefer stimmen, je nachdem ob man die Schnarrsaite spannt oder entspannt. [...]


Die Reifen, welche die Felle auf dem Korpus halten, (ABC und LIK) werden Vergettes genannt, und können aus Holz oder Metall gemacht werden.


Niemals werden für die Tambours Wolfsfelle verwendet.

Der Korpus kann bei Mersenne aus Messing oder Holz (meist Eichenholz oder einem anderen biegsamen Holz) hergestellt werden. Höhe und Durchmesser sind „fast gleich“. Im Text ist nur von Fellwickelreifen die Rede, und auch in der Abbildung sind keine Spannreifen zu erkennen. Die Wirkungsweise der Struppen, die aus Schafsfell oder demselben Material wie die Seile sind (Hanf oder Seide / 10 Bahnen), wird erklärt, und auch das Material der Felle (Schafsfelle, keine Esels- oder Wolfsfelle!) erwähnt. Die Schnarrsaite ist hier – im Unterschied zu Praetorius – eindeutig doppelt, und an einem sich „sichelförmig verjüngenden Wirbel“ befestigt, wobei wahrscheinlich das untere Ende der Schlossschraube gemeint ist. Die Fellreifen können nach Mersenne aus Holz oder Metall sein.

Abb. 4: Marin Mersenne, Harmonie universelle, Paris 1636, Livre VII, S. 51. Foto: public domain.

Mersennes Begeisterung für die Tambours führte anscheinend so weit, dass er sich selbst Instrumente in verschiedenen Grössen anfertigen liess, um damit Dreiklänge und Tonleitern [sic] spielen zu können. [9] In diesem Abschnitt erscheint auch die (theoretische) Maximalgrösse von 30 Pouces (d.h. zweieinhalb Pieds de Roy), [10] wobei Mersenne weiter unten klar sagt, dass die grössten Tambours die gebaut werden, nur einen Durchmesser von zwei Pieds (64,9 cm) [11] haben. Der Hinweis auf die Maximalgrösse der Felle von zweieinhalb Pieds ist wohl so zu verstehen, dass man zum Bespannen der Trommelreifen noch einmal mindestens 6-8 cm rundherum als Überstand braucht, um die Reifen damit umwickeln zu können.

Expliquer de quelle grandeur doivent estre les Tambours, & quelle proportions ils doivent garder pour faire tel accord que l’on voudra.


Je n’ay point veu de Tambours qui feissent les accords de Musique que ceux que i’ay fait faire exprez, qui monstrent que leurs hauteurs & leurs largeurs doivent garder la mesme raison que les cloches pour faire les mesmes intervalles : par exemple si l’on veut que quatre Tambours fassent ces quatre notes, [Notenbeispiel : c1, e1,g1,c2] leurs hauteurs doivent garder la raison de ces nombres 4,5,6,8, c’est à dire que si le Tambour qui fait l’ut a trente pouces de hauteur, celuy qui fait la seconde note, doit avoir vingt-quatre pouces, ou deux pieds de Roy, le 3. qui fait la 3. note, doit avoir vingt pouces, & le 4. qui monte à l’Octave doit avoir quinze pouces de hauteur.

Il est aysé de suivre la mesme methode pour faire les autres degrez, comme l’on void dans le Systeme qui suit, & qui sert de Diapason pour toutes sortes de Tambours : & pour ce sujet ie suppose que le plus grand Tambour a deux pieds de large, car on ne les fait pas plus grands : Secondement que le dernier, ou le huictiesme n’a qu’un pied en largeur, & en hauteur, & qu’il monte à l’Octave du premier, comme l’experience enseigne. […]





Il faut encore remarquer que les plus grandes peaux que l’on puisse trouver pour mettre sur les quaisses, n’ont que deux pieds & demi de large, & consequemment que l’on est contraint de se reduire à cette grandeur, quand on veut faire plusieurs parties de Musique avec les Tambours, que l’on met aysément d’accord par le moyen des nœuds coulans, qui les font monter ou descendre de ton, comme i’ay dit. Mais il faut avoir une bonne oreille, & user d’industrie & de iugement pour remarquer leurs tons, & de combien ils sont plus graves, ou plus aigus les uns que les autres : car il seroit difficile de prendre le ton d’un seul Tambour ; c’est pourquoy il en faut avoir trois, quatre, ou cinq de different grandeurs [...].

Erklärung, welche Grösse die Tambours haben sollen, und welche Proportionen sie einhalten müssen, um den Zusammenklang zu ergeben, den man möchte.


Ich habe nie Tambours gesehen die so einen Zusammenklang ergaben, wie jene, die ich extra anfertigen liess, und an denen man sehen kann, dass ihre Höhe und Breite dieselben Verhältnisse haben müssen wie Glocken, um die gleichen Intervalle zu ergeben. Wenn man zum Beispiel möchte, dass vier Tambours die Noten c1, e1,g1,c2 ergeben, muss ihre Höhe im Verhältnis folgender Zahlen stehen : 4, 5, 6, 8. Das heisst, wenn das Tambour auf c1 dreissig Pouces (81,2 cm) hoch ist, muss jenes, das die zweite Note ergibt, vierundzwanzig Pouces (64,9 cm) oder zwei Pieds de Roy. Das dritte Tambour, das die dritte Note ergibt, muss zwanzig Pouces (54,1 cm) haben, und das vierte, das die Oktave ergibt, muss fünfzehn Pouces (40,6 cm) hoch sein.
Es ist leicht, mit dieser Methode auch die anderen Abstufungen zu berechnen, wie man in der folgenden Tabelle sehen kann, die als Richtschnur für alle Tambour-Arten dienen kann. Deswegen gehe ich hier davon aus, dass das grösste Tambour nur zwei Pieds (64,9 cm) breit ist, da man keine grösseren baut. Deswegen hat das letzte oder achte Tambour nur die Breite und Höhe von einem Pied, weil es die Oktave zum ersten ergibt, wie die Erfahrung lehrt. [...]


Man muss dazu noch anmerken, dass die grössten Felle, die man finden kann, nur zweieinhalb Pieds breit sind, und man konsequenterweise gezwungen ist den Durchmesser auf die obige Grösse zu reduzieren. Wenn man mehrere Stimmen eines Musikstückes mit Tambours spielen will, kann man sie leicht mit den gleitenden Knoten [den Struppen] stimmen, die den Ton höher oder tiefer machen, wie ich schon erklärt habe. Aber man muss ein gutes Gehör haben, um ihre Tonhöhen wahrzunehmen und sagen zu können, wie viel tiefer oder höher die verschiedenen Tambours sind. Da es schwierig ist, dies anhand des Klangs eines einzelnen Tambours zu hören, braucht man drei, vier oder fünf davon mit verschiedenen Grössen.

Die bisher beschriebenen Quellen wurden schon in mehreren Veröffentlichungen zum Thema Trommel/Tambour berücksichtigt. Die im Folgenden vorgestellen Quellen wurden bisher nicht beachtet, oder sie waren unbekannt. Hier ist zuerst Allain Manesson-Mallets Buch Les travaux de Mars über die französische Kriegskunst aus dem Jahr 1671 zu nennen.  [12] Auf dem Titelblatt heisst es: Manesson-Mallet war „Maître de Mathematiques des Pages de la petite Ecurie de Sa Majesté“. Er hatte demnach eine enge Beziehung zum französischen Hof, und war als Angesteller der Petite Écurie nur wenige Meter von der Grande Écurie entfernt.

Du Tambour.

Le Tambour est une personne qui par le bruit de sa Caisse avertit le Soldat de son devoir, ou de quelque Ordre nouveau.

La Caisse A, que le vulgaire appelle mal-à-propos Tambour (puisque c’est le nom de celui qui la porte) est un Instrument Militaire fait d'une ou de deux planches de châtaigner, jointes ou tournées en figure cilindrique, creuses en dedans, & couvertes par leur extrémitez de deux peaux de veau, que l’on bande ou lâche par le moyen de plusieurs serres B, & cordes C, qui tiennent à deux cercaux D, pour faire tenir les peaux contre le corps de la Caisse.



Le Tambour, pour rendre le son de sa Caisse plus harmonieux, attache au dessus de la peau inferieure un timbre ou corde à boyau E, qu’il fait tenir par le moyen du cerceau.
Les Baguettes du Tambour F, sont longues de quinze à dixhuit poûces; elles sont d’ordinaire d’un bois fort dur & net, comme est le poirier, le bois d'Inde, & l’ébéne.

Vom Tambour.

Der Tambour ist eine Person, die durch das Spiel der Trommel den Soldaten auf seine Aufgaben oder neue Befehle hinweist.

Die „Caisse“ A, fälschlicherweise oft auch „Tambour“ genannt (da es nun einmal der Name des Spielers ist), ist ein Militärinstrument, das aus einer oder zwei Platten Kastanienholz zusammengefügt (oder gedrechselt) wird, eine zylindrische Form hat, und innen hohl ist. An den Aussenseiten ist es mit zwei Kalbfellen bedeckt, die man mit mehreren „Serres“ B [Struppen] und Seilen C spannt oder entspannt. Die Seile sind an den zwei Reifen D befestigt, um die Felle gegen den Korpus zu drücken.

Der Tambour-Spieler befestigt unter dem unteren Fell eine Darmsaite („Timbre“) E, die vom Reifen gehalten wird, um den Klang harmonischer zu machen.
Die Tambour-Schlägel sind zwischen 15 und 18 „Pouces“ lang, und sind normalerweise aus einem harten und geraden Holz, wie zum Beispiel Birnbaumholz, „bois d’Inde“ oder Ebenholz.

Die Tambours werden bei Manesson-Mallet aus ein oder zwei Platten Kastanienholz gefertigt, und mit Kalbsfellen statt Schafsfellen bespannt. Ob es sich bei den erwähnten Reifen um Druckreifen handelt, ist leider in der Abbildung nicht ersichtlich. Der Hinweis, dass die Schnarrsaite vom Reifen gehalten wird, deutet auf einen Druckreifen hin, da diese Art von Schnarrsaitenbefestigung an einigen Originalinstrumenten erhalten ist (siehe unten). Erstmals wird das Material für die Schlägel und deren ungefähre Länge genannt, (wobei Mannesson-Mallet sicher das am französischen Hof übliche Pied du Roy [13] verwendet hat): 40,6 cm - 48,7 cm.

Abb. 5: Allain Manesson-Mallet, Les travaux de Mars, La Haye 1696, Bd. 3, S. 13. Foto: T. Hirsch.

Leider gibt Manesson-Mallet die Grösse der Tambours nicht an, so dass es nur möglich ist, diese anhand anderer abgebildeter Objekte abzuschätzen. Ein Problem, das auch bei den zahlreichen im Folgenden vorgestellten ikonographischen Quellen immer wieder auftauchte. Ein ungefährer Anhaltspunkt könnte hier das sogenannte "Gardemass" sein, das die Voraussetzung für eine Anstellung bei den königlichen Garden bildete. Es betrug für die Cent-Suisses „5 pieds 5 pouces“ was einer Körpergrösse von 176 cm entspricht. [14] Weitere mögliche Objekte, die einen Grössenvergleich erlauben, da ihre Masse im Dictionnaire des Arts et des Sciences von Thomas Corneille [15] angegeben werden, sind: Oboen und Zinken: jeweils zwei Pieds (65 cm), Säbel (ab Garde): 2 Pieds 4 Pouces (75,7 cm) und die Muskete: 3 Pieds 8 Pouces (119 cm). Demnach wäre die Maximalgrösse der bei Manesson-Mallet abgebildeten Trommel (bei einer Schlägellänge von 18 Pouces) 55,67 cm, die Minimalgrösse (bei einer Schlägellänge von 15 Pouces) 46,4 cm. Bei einer hypothetischen Körpergrösse von 176 cm (Gardemass) wäre die Trommelgrösse 51,8 cm, d.h. ungefähr in der Mitte der beiden vorherigen Masse.

Der Abschnitt in Louis de Gayas Traité des Armes, 1778 [16] über die Tambours wiederholt einige Angaben Manesson-Mallests, und auch Sébastian de Brossards Eintrag in seinem Dictionnaire de musique von 1703 [17] bietet als einzige neue Information, dass der italienische Name für Tambour „Tympano“ [sic] sei. Weitere Namensvarianten ("Tabur, Thabur, Tabor, Tabour") finden sich 1721 in Gabriel Daniels Histoire de la milice françoise[18] Die Felle sind hier wieder Schafsfelle, der Trommelkorpus aus Holz, allerdings mit dem Hinweis, dass er früher – wie bei den Pauken – aus Kupfer oder Messing gefertigt wurde. Bei Daniel erscheint erstmals auch der Hinweis, dass die von den Musketieren und Dragonern zu Pferd verwendeten Tambours kleiner als die Instrumente der Fusstruppen waren. [19] Dieser Grössenunterschied ist schon in in einem Stich von Nicolas Guérard um 1695 gut zu erkennen.

Abb. 6: N. Guérard, L’Art militaire ou Les Exercises de Mars,Tambours, Paris ~1695. Foto: T. Hirsch.

Da das Biegen des Holzes für den Trommelkorpus und die Reifen, wie man im Kapitel über den Nachbau der Tambours noch sehen wird, viel Erfahrung und Spezialwissen voraussetzt, wurden die Tambours nicht von Musikinstrumentenbauern, sondern wie 1723 im Dictionnaire universel de commerce von Jacques und Philemon Savary beschrieben durch die „Bosseliers“, die Holzwarenherstellen, Schäffler und Küfer hergestellt. [20] Dies wird durch das Bild Habit de Boisselier von Nicolas II de Larmessin (~1638 - ~1695) sehr schön illustriert. Der Oberkörper der abgebildeten Figur des "Boisselier" besteht aus einer zweifelligen Zylindertrommel mit Leinenspannung. Gut zu erkennen sind die Struppen und das mit Nägeln verzierte Schalloch in der Mitte. (Falls ein Druckreifen vorhanden ist, ist er schlecht zu erkennen oder sehr niedrig.)

Abb. 7: Nicolas II de Larmessin (~1638 - ~1695), Habit de Boisselier. Foto: public domain

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts scheinen sich in Frankreich die Proportionen der Tambours allmählich zu verändern. Wenn bisher Höhe und Durchmesser der Tambours annähernd gleich waren („quadratisch“), so wird nun die Höhe im Verhältnis zum Durchmesser reduziert. Belegt ist dies im Notionaire von François-Alexandre-Pierre de Garsault [21] aus dem Jahr 1761. Garsault war, wie Manesson-Mallet, Angestellter am französischen Königshof. Er hatte den Posten eines „Capitaine en Survivance“ am königlichen Gestüt [22] inne, und somit beste Beziehungen zur Grande Écurie. Im Abschnitt über die „Instrumens de Musique“ schreibt er:

LE TAMBOUR OU CAISSE.


La Caisse est un instrument de guerre affecté à l’Infanterie & aux Dragons; on le peut guères mieux comparer qu’à un sceau d’eau. C’est un rond ou cilindre de bois mince bouché par les deux bouts de peau de chevre ou de bouc prise à la circonférence, haute & basse, sous un cercle de bois plat. On tend la peau supérieure par vingt-quatre fiscelles deux à deux, qu’on nomme les tirans B. Chaque double fiscelle forme un triangle aigu, la pointe en haut: ce triangle se serre, & par conséquent se racourcit au moyen d’un anneau de cuir qui l’enfile: cet anneau se nomme la passe A. On hausse ou baisse les passes, selon que l’on veut que la peau supérieure s’étende plus ou moins, car les tirans y répondent.





La peau inférieure D. est traversée en dehors par deux ficelles à boyau paralelles, éloignées d’un pouce l’une de l’autre, qu’on nomme les timbres EE. Lorsqu’on bat cet instrument avec deux baguettes GG. d’un pied de long, dont le bout est formé en olive, les coups donnés sur la peau supérieure, font approcher par le contrecoup la peau inférieure des timbres, ce qui les fait retentir & rend le son plus vif.


On ne peut définir aucun ton à cet instrument, ainsi il est à tous accords. On le bat en marchant.


Les Tambours ordinaires ont quatorze pouces de haut, sur dix-sept pouces de large. Il s’en fait de différentes grandeurs.“

DAS TAMBOUR ODER DIE CAISSE.

Die „Caisse“, ein Militärinstrument, welches der Infanterie und den Dragonern zugeordnet ist. Man kann es am besten mit einem Wassereimer vergleichen. Es ist ein Zylinder aus dünnem Holz, der auf beiden Seiten mit dem Fell einer Ziege oder eines Ziegenbocks - welches oben und unten von einem Reifen aus flachem Holz gehalten wird - rundherum verschlossen ist. Das obere Fell wird von 24 paarweisen Seilen [12 Bahnen] gehalten, die „tirans“ heissen (B). Jede Bahn hat die Form eines Dreiecks mit der Spitze nach oben. Dieses Dreieck kann man mit einem eingefädelten Ring aus Leder [Struppe] verkleinern und so die Seile verkürzen. Dieser Ring wird „Passe“ (A) genannt. Man schiebt die Struppen nach oben oder unten, je nachdem ob man das obere Fell mehr oder weniger mit den Seilen spannen will.
Über das untere Fell (D) sind an der Aussenseite zwei parallelen Darmsaiten mit einem Abstand von einem „Pouce“ [2,7 cm] gespannt, die man „Timbres“ nennt (EE). Man spielt das Instrument mit zwei Schlägeln (GG) mit einer Länge von einem „Pied“ [32,4 cm] spielt, deren Kopf die Form einer Olive hat. Die Schläge auf das obere Fell, lassen die Schnarrseite auf das untere Fell zurückschlagen, was den Klang schärfer macht.

Man kann bei diesem Instrument keinerlei Tonhöhe definieren, deswegen kann man sie für alle Tonarten benützen.
Die normalen Tambours haben eine Höhe von 14 „Pouces“ und sind 17 „Pouces“ breit. Man macht sie allerdings auch in verschiedenen anderen Grössen.“

Insgesamt ist das Instrument nun deutlich kleiner. Der Durchmesser beträgt nur noch 17 Pouces (46 cm) und die Höhe ist mit 14 Pouces (38 cm) deutlich geringer als der Durchmesser. Der Korpus ist aus dünnem Holz und mit Ziegen- oder Ziegenbock-Fellen bespannt. Das Tambour hat 12 Bahnen (in der Abbildung sind aus perspektivischen Gründen nur 8 zu sehen), Struppen aus Leder, Druckreifen mit grossem Randüberstand und eine doppelte Schnarrsaite mit einem Abstand zwischen den Saiten von 2,7 cm.

Abb. 8: François-Alexandre-Pierre de Garsault, Notionaire, Paris 1761, S. 645, Planche XXX. Foto: T. Hirsch.

Weitere wichtige Hinweise zu instrumentenbautechnischen Details lieferten zahlreiche ikonographische Quellen, von denen hier nur zwei besonders detailreiche exemplarisch vorgestellt werden. Die erste ist ein Stich von Nicolas Henri Tardieu [23] nach einer Zeinung von Pierre Dulin aus dem Jahr 1722. Es handelt sich um die bildliche Darstellung der Krönung von Ludwig XV. in der Kathedrale von Reims. Am rechten unteren Bildrand sind vier Tambourspieler zu sehen, zusammen mit vier Trompettes und gegenüber zehn Hautbois und zwei Bassons. Bei den Tambours könnte es sich sowohl um die vier Tambours der Grande Ecurie handeln, da sie zusammen mit den Trompettes und den Hautbois abgebildet sind, es wäre aber auch möglich, dass es sich um die Tambours der Cent-Suisses handelt, die Teil der Gardes du Roy waren.

Abb. 9/10: Nicolas Henri Tardieu/Pierre Dulin, Sacre de Louis XV, "Le Couronnement du Roy“, Reims 1722. Foto: T. Drescher.

Bezogen auf das oben erwähnte Gardemass hätten die Tambours einen ungefähren Durchmesser von 52 cm (die Höhe ist aufgrund der Schrägstellung nicht eindeutig messbar), 12 Bahnen, klar erkennbare Druckreifen mit einem kleinen Randüberstand, sehr weit nach unten geschobene Struppen, was auf eine hohe Fellspannung schliessen lässt, und eine doppelte Schnarrsaite auf dem unteren Fell. Ein Gemälde, auf welchem ein französisches Tambour sehr detailreich abgebildet ist, befindet sich in Schloss Fontainebleau. Es handelt sich um das Stillleben Un tambour et une épée von Nicolas Henry Jeaurat de Bertry aus dem Jahr 1757.

Abb. 11: Nicolas Henry Jeaurat de Bertry, Un tambour et une épée, 1757, Chateau de Fontainebleau. Foto: T. Hirsch.

Da alle Gegenstände auf diesem Bild schräg liegen, ist eine Grössenbestimmung leider nicht möglich. Sehr interessant ist, das auf dem Tambour ein Fifre Etui mit drei Röhren liegt, dessen Länge etwas kürzer als der Tambour-Durchmesser erscheint. [24] Das Tambour selbst hat 12 Bahnen und gut erkennbare Druckreifen mit einer sich verjüngenden Überlappung. Der Randüberstand der Druckreifen ist klein, und die doppelte Schnarrsaite ist wahrscheinlich am Druckreifen selbst befestigt, da sie nicht genau mittig über das Resonanzfell geführt ist.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten ikonographischen Quellen im Zeitraum von 1588 bis 1761:

Tabelle 1: Ikonographische Tambour-Quellen von 1588 bis 1761. T. Hirsch

In der Zusammenfassung all dieser schriftlichen und ikonographischen Quellen ergibt sich für die Tambours der Grande Écurie und der Gardes-Suisses am französischen Hof zur Zeit Ludwigs XIV. und XV. folgendes Bild: Abgesehen von der unterschiedlichen Grösse der Tambours zu Pferd, die von den Mousquetaires erstmals ab 1663 (siehe unten) verwendet wurde, ist in keiner Quelle ein bautechnischer Unterschied zwischen den Tambours der Grande Écurie, der französischen Truppen oder der Gardes Suisses (incl. Cent-Suisses) beschrieben. Der bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts „quadratische“ Trommelkorpus ist aus dünnem Holz (Eiche, Kastanie oder ein anderes gut biegbares Holz) gefertigt, und hat einen Aussendurchmesser und eine Höhe von 50 bis 54 cm. Die Anzahl der Bahnen beträgt zwischen 10 und 14, am häufigsten sind 12 Bahnen. Noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind die Seile aus Hanf (oder Seide) oft direkt über die entsprechend dickeren Fellwickelreifen geführt, und nur selten Druckreifen zu erkennen. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts werden die Druckreifen immer ausgeprägter, und der Randüberstand dadurch immer grösser. (Je höher der Druckreifen ist, desto gleichmässiger lässt sich die Spannung auf das ganze Fell verteilen.) Die um die Seile geschlungenen Struppen sind in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts manchmal noch doppelt, später immer einfach und konnten aus Leder, Schafsfell (Schafsleder), und Hanf (oder Seide) sein. Als Trommelfelle kamen Schafs-, Kalbs- und Ziegenfelle in Frage. Die diagonal über das Resonanzfell gespannte doppelte Schnarrseite, mit einem Abstand von 2,7 cm zwischen den Saiten, war aus Darm, und möglicherweise, auf der dem Schloss gegenüberliegenden Seite, direkt am Druckreifen befestigt. In der Zarge befindet sich ein Schalloch, teilweise mit kreisförmig angeordneten Nägeln verziert.

Abb. 12: Tambour der Cent-Suisses (Zeughaus Berlin), Foto: public domain.

In der Bemalung findet sich neben zahlreichen Sonnensymbolen und Fleur-de-Lys die Devise der Cent-Suisses: „EA EST FIDUCIA GENTIS“ [Übers.: „So ist die Treue dieser Nation“]. Leider existiert nur noch ein Foto dieses Instruments aus der Zeit vor 1945. Das Instrument befand sich im Zeughaus Berlin, und gilt als Kriegsverlust. Anhand des Fotos lassen sich keine Rückschlüsse auf die Instrumentengrösse ziehen. Deutlich zu sehen sind Fell- und Druckreifen, 11 Bahnen, die genähten Struppen und das Schloss. Unter den verschiedenen anderen Tambours, die über die Bemalung französischen oder Schweizer Regimentern zugeordnet werden können, befindet sich keine, die auch nur annähernd den in der Quellen-Analyse gewonnenen Grössenangaben von 50 bis 54 cm Aussendurchmesser bzw. Höhe entspricht. Dies kann bei den französischen Instrumenten vielleicht daran liegen, dass es sich um „Cavalerie“-Tambours handelt, wie bei Guerard um 1695 abgebildet und bei Gabriel Daniel 1721 beschrieben, oder um kleinere Instrumente aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wie sie bei Garsault 1761 belegt sind. Glücklicherweise befindet sich in der Sammlung des Musikmuseums Basel neben der ältesten datierbaren Schweizer Leinentrommel aus dem Jahr 1571 auch ein Tambour aus dem Jahr 1689, [26] das in fast allen Details den gesuchten Werten entspricht. Neben dem quadratischen Grundriss (Aussendurchmesser 51,8-53,3 cm, Gesamthöhe 52,5 cm), ist das Instrument über die Jahreszahl in der Bemalung genau datierbar, und der Schriftzug „Haupt-Quartier“ lässt auf eine militärische Benützung schliessen.

Abb. 13-19: Zaeslin-Trommel aus dem Jahr 1689. Fotos: T. Hirsch
Abb. 20–22: Zaeslin-Trommel aus dem Jahr 1689. Fotos: T. Hirsch.

Der Herkunftsort des Instrumentes ist aller Wahrscheinlichkeit nach Basel, da sich neben einem von zwei Basilisken gehaltenen Baslerstab und den für Basel typischen schwarz-weissen Flammen und Diagonalstreifen auf dem Instrument das Wappen der Basler Eisenhandels-Dynastie Zaeslin befindet. [27] Das Instrument hat Fellwickel- und Druckreifen (mit deutlichem Randüberstand), 11 Bahnen mit Lederstruppen, eine doppelte Schnarrseite, die auf der einen Saite über ein Schloss gespannt werden kann, und auf der anderen Saite am Druckreifen befestigt ist (im Unterschied zu der Befestigung der Schnarrseite an einem Knopf oder Haken). Die Zargen sind aus einer Platte 5 mm dickem Holz (möglicherweise Nussbaum) gebogen. Zargen und Druckreifen sind sowohl verleimt, als auch genagelt bzw. vernietet, da die Nägel innen zurück gebogen und umgeschlagen wurden. Das zusätzliche „Nageln“ hat möglicherweise mit der Verwendung der Tambours im Freien zu tun, da ein Knochenleim einem Einsatz bei Regen wohl nicht lange standgehalten hätte. Da ein Öffnen des Instruments ohne Beschädigungen leider nicht möglich war, erfolgte eine endoskopische Untersuchung zusammen mit Andrea Fornaro vom Musikmuseum Basel.

Abb. 23–27: Zaeslin-Trommel 1689, Endoskopische Untersuchung. Fotos: A. Fornaro/T. Hirsch.

Folgende zusätzliche Erkenntnisse konnten so gewonnen werden: An den Rändern der Zargen sind Reifchen zur Verstärkung angebracht. Auch diese sind geleimt und genagelt. Die Innenseite dieser Reifchen ist schräg abfallend, so dass die Felle nur ganz aussen auf der Zarge aufliegen. Auf der Resonanzfell-Seite sind zusätzliche Einschnitte für die Schnarrsaiten in den Reifchen angebracht. Die Zargen haben eine Überlappung von fast 30 cm. Direkt am Ende dieser Überlappung ist ein Längsbalken in den Korpus geleimt. Interessant sind die deutlichen Zahnhobel-Spuren im Inneren des Instruments und der eingeleimte Instrumenten-Zettel, bei dem es sich vielleicht um einen Reparaturzettel handelt, da mit dem Endoskop das Wort „...felle“ zu erkennen ist, das möglicherweise auf eine Erneuerung der Felle hinweist.

Abb. 28: Plan der Zaeslin-Trommel 1689. © T. Hirsch.

Das grösste Problem für einen originalgetreuen Nachbau waren die Trommel-Zargen. Diese bestehen bei der Trommel von 1689 aus einer einzigen Holzplatte mit einer Länge von 190 cm und einer Breite von 46 cm und das bei nur 5 mm Stärke. Da das Holz der Zaeslin-Trommel per Endoskop nicht eindeutig zu bestimmen war, und mehrere Quellen von Eichenholz sprechen, war dies unsere erste Wahl. Anfragen bei verschiedenen Holzhändlern und Sägewerken machten schnell klar, dass es sehr schwierig werden würde, solche Platten in der erforderlichen Breite ohne Spannungsrisse zu bekommen. Wenn man eine Platte aus der Mitte eines Baumes sägen würde, hat man zwar Riftholz (mit senkrecht stehenden Jahresringen), dafür aber in der Mitte des Brettes den sehr labilen Kernbereich. Sobald man sich aus der Baummitte heraus bewegt, liegen die Jahresringe insgesamt schräger, die Brettmitte ist stabiler, aber der Gesamtdurchmesser des Baumes muss noch grösser sein. Für eine Platte mit 50 cm Breite wäre demnach ein Baum mit mindestens 80 cm Durchmesser (incl. Splintholz, dem weicheren Holz direkt unter der Rinde) erforderlich. Bäume mit einem solchen Durchmesser, mit geradem Wuchs und ohne Risse oder Krankheiten im Kernbereich, sind heute sehr selten. Im 17. und 18. Jahrhundert allerdings gab es nach Information des Dendrolabors Zürich [28] noch gesunde Eichen mit Durchmessern von über 120 cm. So war es damals möglich nur die Hälfte eines aus der Mitte des Baumes gesägten Brettes zu verwenden, das man dann ohne Rissbildung trocknen konnte.

Für die Nachbauten der vier benötigten Tambours kamen verschiedenen Techniken der Holzvorbereitung und Verarbeitung zum Einsatz. Drei Instrumente wurden durch den Basler Trommelbauer Walter Büchler gefertigt. Er verwendete dafür frisch gesägtes Eichenholz mit den erforderlichen Massen. Dieses Holz wurde noch zusätzlich eingeweicht und mit Dampf erhitzt, um es anschliessend über einen Holzzylinder rund zu biegen. Dieses Verfahren funktionierte allerdings nur bei einer einzigen Eichenplatte, die weiteren Platten brachen beim Biegen, so dass die Zargen schliesslich aus zwei Teilen zusammengesetzt werden mussten. Ein weiteres Problem dieser Technik besteht darin, dass das frische Holz vor dem Biegen nicht gehobelt werden kann, und so eine aufwändige Nachbearbeitung an den gebogenen und getrockneten Zargen notwendig ist, um die Sägespuren zu entfernen.

Abb. 29–32: Biegen der Trommelzargen durch W. Büchler und Mitarbeiter. Fotos: T. Hirsch.

Die zweite, vom Autor dieses Artikels angewandte, Bautechnik bestand darin, die auf ca. 6 mm gesägten Eichenholzplatten vor der weiteren Verarbeitung eingespannt ein Jahr lang zu trocknen. Allerdings entstanden während des Trocknungsprozesses zahlreichen Risse, so dass die Trommel-Zargen schlussendlich aus zwei Teilen, wie bei Allain Manesson-Mallet 1696 erwähnt, zusammengesetzt werden mussten. Allerdings konnte hier das Holz vor dem Biegen auf die erforderliche Stärke von (5 mm) gehobelt werden, was den Biegeprozess mit Wasserdampf erheblich erleichterte. Nach dem Trocknen auf der Innenform wurden die beiden Zargen-Hälften angepasst, verleimt und mit einem dünnen vorgebogenen Reifchen innen stabilisiert.

Abb. 33–36: Holztrocknung, Biegen und Verleimen der Zargen. Fotos: T. Hirsch.

Anschliessend konnte der Längsbalken am Ende der Überlappung in die Zargen geleimt, und auch die Reifchen an Ober- und Unterseite der Zargen angebracht werden. Da es sich um gewölbte Flächen handelt, ist eine grosse Anzahl von Zwingen notwendig. Die Zargen wurden schliesslich noch mit Eisennägeln genagelt. Diese haben einen linsenförmigen Kopf und einen rechteckigen Querschnitt, damit im Inneren des Instruments die Spitze des Nagels umgebogen und dann mit einem Hammer umgeschlagen werden kann.

Abb. 37–40: Einleimen der Reichfen und des Längsbalkens; Zargennägel. Fotos: T. Hirsch.

Die Druckreifen wurden aus 10 mm dickem Eichenholz gebogen, und mit einer 32 cm langen Überlappung wie im Original geleimt und genagelt. Da in den französischen Quellen aus dem 17. und 18. Jahrhundert oft bis zu 14 Bahnen, meistens aber 12 Bahnen belegt sind, haben wir uns entschlossen die originale Anzahl von 11 auf 12 Bahnen zu erhöhen. Alle vier Tambours wurden schliesslich durch Walter Büchler mit Kalbfellen (Schlagfell: 0.25-0.32 mm, Resonanzfell: 0.18-0.25 mm) bespannt, wobei die Felle zuerst auf den erforderlichen Durchmesser zugeschnitten werden mussten (incl. ca. 6-8 cm Randüberstand rundherum). Nach dem Einweichen wurden die Felle um den Fellwickelreifen gelegt, und mit einem löffelförmigen Werkzeug darunter geschoben.

Abb. 41–45: Zuschneiden und Aufziehen der Trommelfelle. Fotos: T. Hirsch.

Als Seile wurden wie am Original 6 mm dicke rechtsdrehende Hanfseile verwendet. [29] Aufgrund der Rechtsdrehung der Seile mussten die Bahnen im Uhrzeigersinn in die Druckreifen eingefädelt werden, da sich sonst an den äusseren Reifenkanten die Seile aufdrehen. Die Struppen sind aus Leder. Sie sind nicht zusammengenäht, sondern aus einem Stück Leder geschnitten und dann mit einer speziellen Technik zusammengefaltet bzw. gesteckt. Die Schnarrsaite, eine 3,7 mm dicke doppelte Darmsaite, ist wie am Original auf einer Seite am Reifen befestigt. Auf der gegenüberliegenden Seite wird die Schnarrsaite durch einen rechteckigen Einschnitt im Druckreifen nach aussen geführt, und kann über das Schloss, welches aus Eisen geschmiedet und an die Zargen genagelt wurde, gespannt werden.

Abb. 46–49: Seile, Struppen, Bespannen der Trommel. Fotos: T. Hirsch.

Und schliesslich, die vier im Jahr 2009 fertiggestellten Tambours. Das Tambour oben links wurde von T. Hirsch gebaut, die anderen drei durch Walter Büchler und seine Mitarbeiter.

Abb. 50: Die vier fertiggestellten Tambours. Foto: T. Hirsch.
[1]

Gabriel Daniel, Histoire de la milice françoise, Paris 1721, Bd. 1, S. 534: „Das Tambour ist für die Infanterie dasselbe, wie die Trompette für die Kavallerie“.

[2]

Thomas Corneille (1625-1709), Dictionnaire des Arts et des Sciences, Paris 1694, S. 434: „Das Fifre ist eine Traversflöte um die Tambours zu begleiten. Besonders beliebt ist sie bei den Schweizern.“

[3]

Michel Rochat, Drapeaux flammés, Paris 1994, S. 13.

[4]

Thoinot Arbeau, Orchésographie, Langres 1588, S. 7.

[5]

Herbert Heyde, Musikinstrumentenbau, Leipzig 1986, S. 74.

[6]

Michael Praetorius, Syntagma musicum, Wolfenbüttel 1619, Tafel XXIII.

[7]

Herbert Heyde, Musikinstrumentenbau, Leipzig 1986, S. 72.

[8]

Marin Mersenne (1588-1648), Harmonie universelle: Contenant la théorie et la pratique de la musique, Paris 1636, Livre VII, S. 51-55.

[9]

Marin Mersenne (1588-1648), Harmonie universelle: Contenant la théorie et la pratique de la musique, Paris 1636, Livre VII, S. 54-55.

[10]

Ein Pied de Roy besteht aus 12 Pouces.

[11]

Herbert Heyde, Musikinstrumentenbau, Leipzig 1986, S. 74.

[12]

Allain Manesson-Mallet (1630-1706), Les travaux de Mars ou l'art de la guerre, La Haye 1696, Bd. 3, S. 12. Das Werk wurde erstmals in Paris 1671 veröffentlicht, dem Autor dieses Artikels lag jedoch nur die Ausgabe von 1695 vor.

[13]

Herbert Heyde, Musikinstrumentenbau, Leipzig 1986, S. 74.

[14]

Jean Hubert-Brierre: Les Cent-Suisses, Garde rapprochée de Roy, Paris 2005, S. 38.

[15]

Thomas Corneille, Dictionnaire des Arts et des Sciences, Paris 1694.

[16]

Gaya, Louis de (sr de Tréville), Traité des Armes, Paris 1678, S. 142-144: „Les Tambours sont faits de bois de chasteigner, creux & couverts par les deux costez de peau de veau, que l'on bande avec des cordes: & avec un timbre qui est par dessus.“/ „Die Tambours sind aus Kastanienholz gemacht, innen hohl und auf beiden Seiten mit Kalbfellen bedeckt, die mit Seilen gespannt werden. An der Unterseite befindet sich eine Schnarrsaite.“

[17]

Sébastien de Brossard (1655 - 1730), Dictionnaire de musique, Paris 1703, ohne Seitenzahlen, Artikel: „Tympano“: „TYMPANO. Terme Italien, du Latin Tympanum, veut dire TAMBOUR; Instrument fort en usage dans la guerre, composée d'une espece de Caisse ronde, aux deux bouts de laquelle sont appliquées deux peaux de parchemin que l'on tend ou bande plus ou moins selon le Ton qu'on veut qu'elles expriment, & que l'on bat ou frappe avec deux baguettes ou bâtons pour en tirer le Son. C'est de-là que viennent ces expressions, bander la Caisse, battre la Caisse &c.“/ „TYMPANO. Italienischer Begriff, kommt vom lateinischen Tympanum, und bedeutet TAMBOUR; Ein Instrument, das viel für kriegerische Zwecke verwendet wird. Es besteht aus einem runden Korpus, an dessen zwei äusseren Enden zwei Felle aus Pergament befestigt sind, die man mehr oder weniger spannen kann, je nachdem, welche Tonhöhe sie ergeben sollen. Man schlägt sie mit zwei baguettes oder bâtons, um sie zum Klingen zu bringen. Daher kommen auch die Ausdrücke: bander la Caisse, battre la Caisse.“

[18]

Gabriel Daniel, Histoire de la milice françoise, Paris (Delespine/Coignard) 1721, Bd. I, S. 533-539: „Dans nos anciens Auteurs il est appellé Tabur, Thabur, Tabor, Tabour.“

[19]

Gabriel Daniel, Histoire de la milice françoise, Paris (Delespine/Coignard) 1721, Bd. I, S. 533-539: „La partie sur laquelle frappent les baguettes a toujours été une peau tenduë ; on se sert depuis longtems de peaux de mouton : ce qu’on appelle maintenant la Quaisse, parce qu’elle est de bois, a été souvent autrefois de cuivre ou de léton, comme le corps des Tymbales d’aujourd’hui.“ „Le Tambour est pour l’Infanterie comme la Trompette pour la Cavalerie. Les Dragons & les Mousquetaires du Roi l’ont aussi: mais leur Tambour est plus petit que celui de l’Infanterie.“

[20]

Jacques und Philemon L. Savary, Dictionnaire universel de commerce, Paris (Estienne) 1723 Sp. 8-10, Art. "Faiseurs d'instrumens de musique": "[...] Enfin, les instrumens de percution, c'est-à-dire, qui se frappent, pour en tirer du son, sont les Tambours, les Timbales, les Cloches, les Carillons, les Cimbales, les Claquebois, les Castagnettes, les Orgues Turques, les Rebubes, ou Trompes d'acier, & peu d'autres. De ces instrumens, il n'y a que les Tambours de basque, les castagnettes, & les orgues à la Turque, que fabriquent les Maîtres Faiseurs d'instrumens de Musique: les autres se font, ou par les Chauderonniers, comme les timbales & les cimbales; ou par les Fondeurs, comme les cloches & carillons; ou par les Boisseliers, comme les tambours militaires; ou bien ils viennent d'Allemagne, comme les trompes d'acier, appellées par mépris Trompes à Laquais."

[21]

François-Alexandre-Pierre de Garsault, Notionaire ou Mémorial, Paris (Desprez) 1761, S. 645-646 und Planche XXX.]

[22]

François-Alexandre-Pierre de Garsault, Le nouveau parfait maréchal, Paris 1741, Titelblatt: „François-Alexandre-Pierre de Garsault, ci-devant Capitaine en Survivance du Haras du Roi“.

[23]

Nicolas Henri Tardieu/Pierre Dulin, Sacre de Louis XV, "Le Couronnement du Roy“, Reims 1722. Text zum Bild: „Au devant du tableau, paroit un ayde des Cérémonies: à sa droite, et à sa gauche, les Tambours, Hautbois & Trompettes, quelques Gardes du Roy avec un Lieutenant au milieu."

[24]

Ein Tambour zusammen mit einem Fifre Etui (incl. zwei Fifres) ist auch auf dem Frontispiz von Johann Heinrich Wirz, Einrichtung und Disciplin eines Eidgnößischen Regiments zu Fuß und zu Pferd, Zürich 1758, abgebildet.

[25]

Da es noch keine Medien gab, die über eine siegreiche Schlacht berichten konnten, musste man anhand der eroberten Trophäen beweisen, dass man den Gegener wirklich besiegt hatte.

[26]

Musikmuseum Basel, Inventar Nr. 1872/84.

[27]

Umfangreiches Material über die Familie Zaeslin und die Beschreibung des Wappens befindet sich im Staatsarchiv Basel.

[28]

Information des Labors für Dendrochronologie, Stadt Zürich, Amt für Stadtebau, Felix Walder.

[29]

Bei den modernen Basler Trommeln werden linksdrehende Seile verwendet, und die Trommel gegen den Uhrzeigersinn bespannt.