Einführung
Wenn man heute eine Umfrage machen würde, welches wohl das am weitesten verbreitete barocke Perkussionsinstrument war, wäre die häufigste Antwort wahrscheinlich: die Pauke. Im deutschsprachigen Raum, in welchem „mit Pauken und Trompeten“ eine stehende Redewendung für besonders festlicher Anlässe darstellt, und die Spieler beider Instrumente im 17. und 18. Jahrhundert sogar in gemeinsamen Zünften zusammengeschlossen waren, trifft dies auch zu. Ganz anders sah es dagegen in Frankreich aus. Dort gab es keine Zünfte, die das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumentalgruppen geregelt hätten, und es scheint, dass hier ein anderes Perkussionsinstrument viel häufiger als die Pauken – in Frankreich Timbales genannt – zum Einsatz kam: die Tambours. Beide Instrumente, Timbales und Tambours, haben einen militärischen Hintergrund, und wurden dort meist mit ihren jeweiligen „Partnerinstrumenten“ als feste musikalische Einheiten verwendet, um die jeweilige militärische Gruppierung akustisch identifizieren zu können. Neben den bekannten Kombinationen „Trompettes et Timbales“ bei den berittenen Truppen, der Kavallerie, und „Fifres et Tambours“ bei den Fusstruppen, der Infanterie, gab es in Frankreich allerdings noch zahlreiche andere viel weniger bekannte Einsatzgebiete für die Tambours, wie z.B. die Kombination der Tambours mit den Hautbois bei den berittenen Mousquetaires. Auch in zahlreichen anderen musikalischen Besetzungen sind Tambours in Frankreich belegt (siehe unten).
Ein wichtiger Unterschied zwischen Tambours und Timbales liegt in deren militärischer Funktion. Sehr Aufschlussreich ist hier das folgende Zitat in Gabriel Daniels, Histoire de la milice françoise, aus dem Jahr 1721 [1] „Le Tambour est pour l’infanterie comme la Trompette pour la Cavalerie.“ Bei den Trompettes und Timbales ist die Trompete der „Informationsträger“ des militärischen Signals. Wenn Pauken mitspielen, ist es umso prachtvoller, jedoch nicht unbedingt notwendig. Bei Fifres und Tambours oder Hautbois und Tambours ist es genau umgekehrt. Die Trommel ist hier der „Informationsträger“ des Signals. Flöte oder Oboe „begleiten“ die Trommel, aber man kann notfalls auch auf sie verzichten. 1694 schreibt Thomas Corneille dazu in seinem Dictionnaire des Arts et des Sciences [2] unter dem Eintrag „Fifre“: „C’est une maniere de fluste d’Allemand [...] pour accompagner les tambours & sur-tout parmi les Suisses“. Die Begleitrolle der Fifres wird zusätzlich durch die Tatsache unterstrichen, dass manche Trommelsignale vom 17. bis ins 19. Jahrhundert fast unverändert bleiben, die Melodien dazu aber immer wieder dem Zeitgeschmack angepasst werden (siehe Kapitel Musikalische Quellen dieses Artikels).
Wenn es um die französischen Tambours geht, stellt sich die Frage, ob sich diese – und insbesonders die Instrumente der Grande Écurie – von den Tambours der Schweizer Truppen in französischen Diensten unterschieden. Die erste ständige Schweizer Truppe gab es in Frankreich schon seit 1496, als König Charles VIII. seinen persönlichen Schutz den „Cent hommes de guerre suisses“ anvertraut hatte, [3] und dann durchgehend bis zur französischen Revolution 1789. Zur Zeit Ludwigs XIV. logierten die Gardes Suisses in Versailles in Sichtweite der Grande Ecurie, im vorderen rechten Flügel des Avant-cour, oder Cour des Ministres du Château de Versailles.
Haben die französischen Truppen vielleicht die Instrumente von den Schweizern übernommen, und schlussendlich „Urschweizer“ Stücke gespielt, wie Georg Duthaler 1985 in seinem Buch Trommeln und Pfeifen in Basel vermutet? Oder sind in den Schweizer Ordonnanzen aus dem 18. und 19. Jahrhundert vielleicht immer noch Stücke enthalten, die am französischen Hof im 17. Jahrhundert von J.-B. Lully komponiert wurden? All diesen Fragen soll in diesem Artikel nachgegangen werden. Zur besseren Verständlichkeit der verwendeten Fachausdrücke sind im folgenden Bild die verschiedenen Teile der Trommel und deren Namen veranschaulicht.